Vielleicht haben Sie den Beitrag des ARD-Formats Panorama am 19. Juni gesehen. Es ging um „Selbstzahlerleistungen“ und eine „Zwei-Klassen-Medizin“. Und: um ein völlig verzehrtes Bild der niedergelassenen Ärzteschaft. Unsere jungen Kolleginnen und Kollegen von Young MEDI haben sich mit diesem Statement an die Panorama-Redaktion gewandt.
Der jüngste Beitrag des ARD-Magazins Panorama über angeblich „bezahlte Kassentermine“ vermittelt erneut ein verzerrtes Bild der ambulanten Versorgung – zum Nachteil einer ganzen Generation junger Ärztinnen und Ärzte. Wieder einmal werden wir pauschal als gewinnorientiert dargestellt, als diene unsere Arbeit vorrangig der persönlichen Bereicherung auf Kosten unserer Patientinnen und Patienten. Dieser Darstellung treten wir mit aller Deutlichkeit entgegen.
Unsere Leistungen sind im GKV-System weder finanziell noch organisatorisch abgedeckt
Wir als Young MEDI – die Vertretung der jungen, ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte des Ärzteverbands MEDI Baden-Württemberg e. V., Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten – stellen klar: Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) stößt seit Jahren an ihre strukturellen und finanziellen Grenzen. Die politisch vorgeschriebene Mindestsprechstundenzahl von 25 Stunden pro Woche wird von uns nicht nur erfüllt, sondern in den meisten Fällen deutlich übertroffen. Doch Leistungen, die über dieses Maß hinausgehen, sind im GKV-System weder finanziell noch organisatorisch abgedeckt.
Wir versorgen tagtäglich eine Vielzahl von Patientinnen und Patienten mit großem Engagement. Gleichzeitig sind unsere Praxen auch wirtschaftliche Betriebe. Wir zahlen Gehälter, tragen Miet- und Energiekosten, finanzieren moderne Technik und investieren in Qualitätsentwicklung und Digitalisierung. Die GKV jedoch sieht ab einer bestimmten Fallzahl im Quartal nur noch eine stark reduzierte Vergütung vor – insbesondere im fachärztlichen Bereich. Das bedeutet konkret: Je mehr wir arbeiten, desto weniger verdienen wir pro GKV-Fall. Dieses System ist nicht nur demotivierend, sondern langfristig existenzgefährdend.
Um diese strukturellen Defizite aufzufangen, sind viele Praxen auf privatversicherte Patientinnen und Patienten, BG-Fälle oder Selbstzahlerleistungen angewiesen. Auch die Terminvergabe spiegelt diese Realität wider: Medizinisch dringliche Anliegen gesetzlich Versicherter werden selbstverständlich vorrangig behandelt. Weniger dringliche Fälle hingegen müssen – bei ausgeschöpftem Budget – häufig ins nächste Quartal verschoben werden. Das ist keine Frage der Haltung, sondern eine Folge der gedeckelten Vergütungssystematik. Notfälle werden immer zeitnah versorgt – doch wirtschaftlich tragfähig wird der Praxisbetrieb oft nur durch Querfinanzierung über andere Patientengruppen.
GOÄ bildet moderne medizinische Realität nicht adäquat ab
Die Privatversorgung ist dabei keineswegs ein Selbstläufer: Die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) ist veraltet und bildet moderne medizinische Realität nicht adäquat ab. Doch im Unterschied zur GKV existieren dort keine Budgetdeckelungen, sodass die Leistungen zumindest planbar vergütet werden. Es ist daher nachvollziehbar, dass Patientinnen und Patienten mit nicht dringlichem Behandlungsanliegen unter Umständen schneller einen Termin erhalten, wenn sie als Selbstzahler auftreten – nicht aus Willkür, sondern aus systemischer Notwendigkeit.
Wir distanzieren uns ausdrücklich von den pauschalen und einseitigen Aussagen einzelner Kolleginnen und Kollegen im Panorama-Beitrag, die jegliche Form privatärztlicher Zusatzangebote kritisieren. Solche Aussagen ignorieren die strukturellen Realitäten einer unterfinanzierten ambulanten Versorgung und führen zu unnötiger Spaltung innerhalb unseres Berufsstandes. Die Wahrheit ist: Ohne Selbstzahlerleistungen und Privatversicherte könnten viele Praxen – insbesondere im hausärztlichen Bereich – wirtschaftlich nicht überleben.
Planwirtschaftlich geprägtes Denken ignoriert Versorgungsrealität
Wenn der AOK-Bundesverband, vertreten durch Frau Reimann, nun sogar ein Verbot privatärztlicher Leistungen in vertragsärztlichen Praxen fordert, ist das nicht nur ein Angriff auf die Freiberuflichkeit unseres Berufsstandes, sondern Ausdruck eines zunehmend planwirtschaftlich geprägten Denkens, das die Versorgungsrealität ignoriert. Pauschale Aussagen wie „50 Milliarden Euro gehen an die Ärzte“ sind dabei nichts als populistische Verkürzungen: Diese Summe verteilt sich auf eine Vielzahl von Kostenpositionen – darunter Medikamente, Strukturverantwortung, Budgetdeckelungen und Investitionen – und kommt in den Praxen nur zu einem Bruchteil real an.
Unsere Forderung:
Wenn politisch gewollt ist, dass die ambulante Versorgung verlässlich, flächendeckend und qualitativ hochwertig durch Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten getragen wird, braucht es endlich eine ehrliche, realistische und kostendeckende Finanzierung.
Solange dies nicht gewährleistet ist, müssen privatärztliche Zusatzleistungen rechtlich erlaubt und gesellschaftlich legitim bleiben. Diese Leistungen offen und transparent anzubieten, ist Ausdruck ärztlicher Verantwortung – nicht von Trickserei.
Wir appellieren an Politik, Krankenkassen und Medien: Kommen Sie mit uns in einen offenen und sachlichen Dialog – über die tatsächlichen Herausforderungen des Systems, über notwendige Reformen und über den Wert unserer Arbeit. Denn wir werden gebraucht. Und wir lassen uns nicht länger diskreditieren.
Hier geht es zum Panorama-Beitrag.