“Es sind vorwiegend eher jüngere Frauen betroffen”

19. April 2021

Einige COVID-19-Patienten entwickeln nach überstandener Erkrankung ein Post-COVID-Syndrom (PCS). Noch ist wenig über die Langzeitfolgen bekannt und die Therapieoptionen sind begrenzt. Ein Gespräch mit dem hausärztlichen Internisten Dr. Michael Eckstein in Reilingen. 

MEDI: Wie häufig sind PCS-Fälle in Ihrer Praxis?

Eckstein: Wir haben derzeit in unserer Praxis fünf Patienten, die an einem PCS leiden. Es ist bestimmt nur ein geringer Prozentsatz der an COVID-Erkrankten, der auch nach Wochen noch Symptome zeigt. Jeder Einzelfall ist aber bemerkenswert, da es in der Regel vorher gesunde Patienten betrifft, die nun zum Teil über viele Wochen erkrankt sind.

MEDI: Gibt es typische Charakteristika der Patienten, wie Alter, Vorerkrankungen oder Schweregrad des Krankheitsverlaufs?

Eckstein: Uns fällt auf, dass es vorwiegend eher jüngere Frauen im Alter zwischen 30 und 40 Jahren betrifft, die in der Regel vorher keine wesentlichen Vorerkrankungen aufwiesen. Es waren auch keine Patientinnen, die mit schweren Verläufen stationär behandelt wurden. Es ist bei COVID-19 sowohl in der akuten Phase als auch danach nicht abzusehen, wie schwer oder wie lange der Verlauf sein wird. Gerade jetzt, wo viele der älteren Patienten geimpft sind, sind vorwiegend die jüngeren Altersklassen betroffen.

MEDI: Welche Symptome treten auf und wie ernst sind diese?

Eckstein: Im Vordergrund stehen Abgeschlagenheit, Müdigkeit und deutlich verminderte Belastbarkeit. Dazu kommen Konzentrationsschwächen, Schlafstörungen und gerade bei längerem Verlauf auch die Entwicklung von depressiven Verstimmungen. Die Betroffenen leiden sehr darunter, dass es nicht absehbar ist, ob und – wenn ja – wann sich ihr Zustand wieder normalisiert. Leider gibt es hier auch noch keine validen Daten, da es sich ja um eine neue Erkrankung handelt.

MEDI: Gibt es Behandlungsansätze? 

Eckstein: Sichere pharmakologische Behandlungsansätze gibt es derzeit nicht, aber natürlich wirken Physiotherapie, Ergotherapie und andere Reha-Maßnahmen der Symptomatik entgegen. Bei Entwicklung einer depressiven Symptomatik ist auch ein psychotherapeutischer Ansatz hilfreich. Leider sind die Betroffenen oft über eine längere Zeit nicht in der Lage weiter zu arbeiten, was oft eine zusätzliche Belastung bedeutet.

MEDI: Wann überweisen Sie an COVID-Ambulanzen oder Gebietsärzte?

Eckstein: Wenn schwerere Verläufe auftreten, sollten COVID-Ambulanzen eingeschaltet werden. In den großen Kliniken gibt es zunehmend spezialisierte Ambulanzen, an die sich PCS-Patienten wenden können. In meiner Praxis hatten wir bisher keine schweren PCS-Verläufe, so dass bisher keine Überweisungen in Ambulanzen erforderlich waren. Leider können wir den Betroffenen nicht immer die Hilfe anbieten, die wir gerne bieten würden, da die Therapieoptionen begrenzt sind. Wir wissen auch leider noch nicht, wie lange das „long“ beim Long-COVID-Syndrom dauert. Bedeutet „long“ eventuell auch “dauerhaft”?

Ruth Auschra

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