MEDI fordert effiziente Digitalisierung sowie Entbürokratisierungs-Offensive im Gesundheitswesen

Der Ärzteverband MEDI Baden-Württemberg e. V. kritisiert die mangelhafte Digitalisierung des Gesundheitswesens. In den Praxen zeige sich täglich, wie ineffizient und fragil die digitale Infrastruktur des Gesundheitswesens sei. Der Ärzteverband mahnt, dass eine entlastende Digitalisierung sowie ein massiver Bürokratieabbau zu den wichtigsten Faktoren für eine stabile und finanzierbare ambulante Versorgung gehören und fordert deshalb eine Entbürokratisierungs-Offensive.

Dr. Lothar Scheidig ist Facharzt für Allgemeinmedizin in Rottenburg am Neckar und Mitglied des erweiterten MEDI-Vorstands. Scheidig investiert laut eigenen Angaben rund 25 Prozent seiner Arbeitszeit in die dysfunktionale Digitalisierung und in bürokratische Aufgaben. „Die letzten Wochen haben wieder gezeigt, wie schlecht unsere Digitalisierung funktioniert – selbst ein einfacher Ausweistausch wird zur Odyssee“, kritisiert Scheidig. Er benötigt einen neuen Heilberufeausweis, weil der alte nicht mehr die notwendigen Sicherheitszertifikate aufweist. „Weil der Anbieter Medsign wegen technischer Probleme nicht erreichbar war, bestellte ich den Ausweis bei einer anderen Firma – auf eigene Kosten. Jetzt liefert Medsign plötzlich doch und kostenlos, und ich bleibe vermutlich auf den Mehrkosten sitzen“, berichtet der Allgemeinmediziner.

Auch die elektronische Patientenakte (ePA) nimmt laut Scheidig zu viel Zeit in Anspruch, weil Prozesse nicht automatisiert ablaufen. „Die Digitalisierung hakt an jeder Stelle“, so Scheidig. Der Mediziner fordert, Praktikerinnen und Praktiker schon beim Aufbau digitaler Infrastrukturen einzubeziehen, damit digitale Prozesse mit den Anforderungen des Praxisalltags kompatibel sind und reibungslos funktionieren.

„Diese Erfahrungen meines Kollegen zeigen deutlich, wie sehr unsere Praxen mit zusätzlichem und vor allem unnötigen Aufwand belastet werden. Dabei gehen uns rund ein Viertel der Zeit für die Versorgung der Patientinnen und Patienten verloren“, betont der Vorsitzende von MEDI Baden-Württemberg und niedergelassene Kardiologe Dr. Norbert Smetak. Auch aktuelle Umfragen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zeigen, dass Praxen durchschnittlich rund 61 Tage allein für Bürokratie aufwenden. 

Der Ärzteverband MEDI fordert die Politik auf, diese Probleme ernst zu nehmen und zu priorisieren. „Die permanenten Forderungen nach Bürokratieabbau und einer effizienteren Digitalisierung haben sich scheinbar abgenutzt, sind jedoch so wichtig wie nie zuvor. Denn wir stehen vor einem sehr großen Praxissterben. Deshalb fordern wir eine umfassende Entbürokratisierungs-Offensive mit mehr Verantwortung und weniger Überregulierung“, so Smetak.

Smetak kritisiert zudem die aktuelle Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes mit Vorschlägen zu Sparmaßnahmen von rund 50 Milliarden Euro jährlich in der gesetzlichen Krankenversicherung, von denen auch die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte stark betroffen wären: „Vorschläge wie die Abschaffungen der bereits eingeführten Entbudgetierungen oder die Streichung der Zuschläge für Terminvermittlungen werden dazu führen, dass sich weiterhin Ärztinnen und Ärzte aus dem GKV-System verabschieden oder gar nicht erst eine Niederlassung in Betracht ziehen.“

Der MEDI-Chef verweist auf eine aktuelle Benchmarking-Analyse des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte. Demnach könnten gesetzliche Krankenkassen selbst einen wesentlichen Beitrag zur Kostendämpfung leisten. Nach Deloitte-Berechnungen können die Kassen acht bis 13 Milliarden Euro – unter anderem durch Prozessoptimierung und den verstärkten Einsatz digitaler Technologien – einsparen.

„Unsere Erfahrungen und die Analysen zeigen, wie sehr Bürokratie und fehlende Digitalisierung das gesamte Gesundheitswesen belasten. Wir müssen raus aus dieser komplexen Überregulierung. Wir brauchen keine Abstriche bei den Versorgungsleistungen, sondern Entlastung bei der unnötigen Mehrbelastung auf allen Ebenen“, fordert Smetak.