Mit einer neuen Online-Meldeplattform will MEDI Gewalt in Arztpraxen sichtbar machen. Ziel ist es, belastbare Daten für die politische Arbeit zu gewinnen – und damit den Weg für mehr Prävention und besseren Schutz der Praxisteams zu ebnen.
Gewalt gegen Ärztinnen, Ärzte und Praxisteams ist längst kein Einzelfall mehr. Das zeigen nicht nur bundesweite Umfragen, sondern auch die jüngste Erhebung von MEDI Baden-Württemberg. Dort sprach sich eine deutliche Mehrheit der Teilnehmenden dafür aus, eine eigene Meldeplattform einzurichten, um die Probleme sichtbarer zu machen und politischen Druck aufzubauen. „Das war für uns ein klarer Handlungsauftrag“, erklärt MEDI-Berater und Facharzt für Allgemeinmedizin, Johannes D. Glaser. Glaser hatte die Umfrage für MEDI initiiert und hat die neue Plattform mitentwickelt. Die Plattform wird auf der MEDI-Homepage integriert und vom Institut für Forschung, Fortbildung und Medizinmanagement (IFFM) betreut. Sie richtet sich nicht nur an MEDI-Mitglieder, sondern steht allen niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten offen – unabhängig vom Fachgebiet und ob angestellt oder selbstständig. „Für stationäre Einrichtungen oder Rettungskräfte gibt es bereits eigene Systeme, wir schließen gezielt die Lücke im ambulanten Bereich“, erklärt Philipp Reutter, IFFM-Geschäftsführer und Projektleiter der neuen MEDI-Meldeplattform.
Daten bleiben anonym
Die Nutzung ist bewusst einfach gehalten. Abgefragt werden Fachgebiet, Dauer der ärztlichen Tätigkeit, Art des Vorfalls – also ob es sich um verbale, körperliche oder auch kombinierte Gewalt handelt – sowie mögliche Folgen wie eine ambulante oder stationäre Behandlung. Auch die Postleitzahl wird erhoben, um regionale Schwerpunkte zu erkennen. Ein weiteres Feld fragt ab, ob die Gewalt so gravierend war, dass die Aufgabe der Praxis erwogen wird – ein Punkt, der bereits in der MEDI-Umfrage auffällig häufig genannt wurde. Wichtig sei der anonyme Charakter, betont Reutter: „Niemand soll Angst vor Repressalien haben.“ Alle Daten werden ausschließlich auf eigenen Servern gespeichert und nur von MEDI ausgewertet. Das IFFM erstellt daraus Statistiken, Diagramme und Übersichten, die MEDI Baden-Württemberg für die politische Arbeit nutzen kann. So lässt sich etwa darstellen, wie häufig Ärztinnen und Ärzte verbal oder körperlich attackiert werden, ob es Unterschiede zwischen Stadt und Land gibt oder welche Fachrichtungen besonders betroffen sind.
Daten als Fundament für Gespräche mit Politik und Kassen
Eine Anzeige bei der Polizei ersetzt die Meldung nicht. „Wir empfehlen allen Betroffenen weiterhin, Vorfälle zur Anzeige zu bringen“, stellt Reutter klar. Doch während Gewalt dort nicht nach Berufsgruppen ausgewiesen wird, soll die neue Plattform erstmals spezifische Daten für den vertragsärztlichen Bereich liefern. Das Ziel: ein belastbares Fundament für Gespräche mit Politik und Krankenkassen. „Wir wollen zeigen, dass es nicht nur um härtere Strafen geht, sondern vor allem um Prävention“, sagt Reutter. Bereits heute bietet MEDI Deeskalationstrainings an, künftig auch als praxisnahe On-Demand-Schulungen. „Die neue MEDI-Meldeplattform soll diese Bemühungen flankieren – indem sie das Ausmaß von Gewalt gegen Ärztinnen und Ärzte und ihre Teams sichtbar macht und damit eine sachliche Grundlage für dringend notwendige Gegenmaßnahmen schafft“, fasst Glaser zusammen.
Antje Thiel

