Seit Jahren prägen die Haus- und Facharztverträge von MEDI die ambulante Versorgung im Südwesten. Vor 15 Jahren startete bundesweit der erste Kardiologievertrag. Im Interview blickt MEDI-Chef Dr. Norbert Smetak zu den Anfängen zurück und erklärt, warum die Verträge heute wichtiger denn je sind.
MEDI Times: 15 Jahre sind in der Gesundheitspolitik eine lange Zeit. Wenn Sie auf den Start der Haus- und Facharztverträge und speziell des Kardiologievertrags zurückblicken – was war damals die zentrale Motivation von MEDI?
Smetak: 2009 war die Situation für uns Ärztinnen und Ärzte ziemlich angespannt. Durch die Budgetierung und den damals neu eingeführten Gesundheitsfonds hatten wir immer weniger Gestaltungsspielräume. Zudem stand unter Gesundheitsministerin Ulla Schmidt die Zerschlagung der KVen im Raum. In dieser Situation wollten wir bei MEDI eigene Strukturen entwickeln, die die Versorgung sichern und die Ärzteschaft stärken. Zusammen mit der AOK und dem Hausärzteverband starteten wir 2008 die Hausarztverträge – für uns war aber klar, dass auch Facharztverträge folgen müssen. Nur kollegial und gemeinsam funktioniert eine gute Versorgung.
MEDI Times: Was waren die größten Hürden in der Anfangsphase?
Smetak: Natürlich gab – und gibt es bis heute – Widerstände in Form von Neid, Skepsis, Angst vor Veränderungen. Man muss bedenken, dass es für die Kassen grundsätzlich einfacher ist, mit der KV einen großen Rahmen vertrag abzuschließen, als mit uns in teils zähe Verhandlungen und kleinteiligere vertragliche Details zu gehen.
MEDI Times: Ist das auch der Grund, warum sich die MEDI-Verträge bislang nicht bundesweit durchsetzen konnten?
Smetak: Das stimmt sicherlich zumindest teilweise. Bei manchen Krankenkassen gibt es eine regelrechte Aversion gegenüber Selektivverträgen, weil sie per Gesetz verpflichtet sind, Verträge zur HzV anzubieten. Bei denen ist das Thema per se negativ besetzt. Zudem tun sich gerade bundesweite Kassen schwer, weil sie enorm viele Versicherte haben, aber regional sehr unterschiedlich stark vertreten sind. Aber wir haben gezeigt: Es lohnt sich, neue Wege zu gehen.
MEDI Times: Welche Verbesserungen haben die Verträge denn konkret gebracht?
Smetak: Ein ganz wesentlicher Punkt ist die bessere Koordination zwischen Haus- und Facharztpraxen. Es gibt klare Überweisungswege, abgestimmte Folgetermine, feste Kommunikationspfade. Patientinnen und Patienten profitieren von kürzeren Wartezeiten, mehr Sicherheit und einer abgestimmten Medikation. Ärztinnen und Ärzte erhalten eine leistungsgerechtere Vergütung, und die Krankenkassen reduzieren ihre Ausgaben, etwa durch vermiedene Krankenhausaufenthalte und geringere Folgekosten. Und: Eine vom GBA-Innovationsfonds geförderte Evaluation belegt signifikant höhere Überlebensraten bei chronischer Herzinsuffizienz und koronarer Herzkrankheit. Es ist also eine klassische Win-win-Situation.
MEDI Times: Als Kardiologe können Sie die Vorteile des Kardiologievertrags natürlich bestens beurteilen.
Smetak: Ja, der Kardiologievertrag ermöglicht es uns, Innovationen rasch in die Versorgung zu integrieren. Wir konnten hier neue Verfahren – beispielsweise Herzkatheteruntersuchungen oder ambulante Konzepte wie zum Beispiel ICD-Implantationen – deutlich schneller implementieren als in der Regelversorgung. Gemeinsam mit der AOK haben wir erreicht, dass vor allem die Patientinnen und Patienten im Fokus stehen, die einen besonders großen Versorgungsbedarf haben. In meinem Fachgebiet sind das insbesondere Menschen mit Herzinsuffizienz. So eine gezielte Fokussierung bildet der EBM mit seinen Pauschalen nicht ab. In der Folge sehen wir innerhalb des Kardiologievertrags weniger Klinikeinweisungen, geringere Mortalität und eine engere Abstimmung bei der Medikation.
MEDI Times: Welche Herausforderungen sehen Sie in den kommenden 15 Jahren auf die MEDI-Verträge zukommen?
Smetak: Wir erleben aktuell eine sehr disruptive Entwicklung im Gesundheitswesen, geprägt von Fachkräftemangel, demografischem Wandel und digitalen Transformationen. Unsere Aufgabe ist es, neue Technologien sinnvoll einzusetzen und Versorgungspfade kontinuierlich weiterzuentwickeln. Wir haben in unseren Verträgen Strukturen für die Digitalisierung geschaffen – aktuell etwa planen wir mit der AOK eine Digitalisierungsoffensive. Der zunehmende Einsatz künstlicher Intelligenz bedeutet einen großen Umbruch, dessen Ausmaß wir noch gar nicht vollumfänglich erahnen können. Da geht es um KI-gestützte Anamnese, Arzt-zu-Arzt-Terminvergabe mit Priorisierung, das HÄPPI-Konzept mit seinen Digitalisierungs-Tools oder auch Avatar-Systeme für die Patientenkommunikation. Hier ist auch unser MEDI-eigenes Software-Paket garrio mit seiner Produktpalette am Start. Auch in diesen Fragen liegt unser Vorteil gegenüber der großen KBV in unserer agileren Struktur.
MEDI Times: Wenn Sie heute noch einmal neu starten könnten – was würden Sie anders machen?
Smetak: Viel fällt mir da gar nicht ein. Solche Verträge entwickeln sich. Vielleicht hätten wir von Anfang an versuchen sollen, in einem weiteren großen Bundesland Fuß zu fassen – oder gleich in einer Region in der Größe von Bayern, Baden-Württemberg oder Hessen. Wichtig ist mir: Unsere Verträge sind keine Leistungen einzelner Personen, sondern Teamarbeit. Es ist eine enorme Leistung von MEDI und allen Beteiligten, die Verträge über 15 Jahre nicht nur zu starten, sondern auch im Alltag lebendig zu halten.
Antje Thiel