Ein Internist wurde zu einer Rückzahlung von nahezu 490.000 Euro verpflichtet, da er Rezepte nicht eigenhändig unterzeichnet, sondern lediglich mit einem Namensstempel versehen hatte. Das Urteil des Bundessozialgerichts vom vergangenen August und andere Urteile zeigen deutlich, wie Bürokratie über die Versorgung gestellt wird.
Ein Kommentar von Young MEDI-Sprecher und Allgemeinmediziner Dr. Stefan Reschke.
Zwei Urteile, zwei Schläge ins Gesicht einer ganzen Ärzteschaft: Fast 500.000 Euro Regress, weil ein Arzt Rezepte nicht eigenhändig unterschrieben hat, obwohl sie medizinisch völlig korrekt und gerechtfertigt waren. 300.000 Euro Regress, weil ein Kollege gewagt hat, dem Patienten sofort das beste Medikament zu verschreiben und nicht erst das billigste auszuprobieren. Das ist keine Satire, das ist leider deutsche Realität im Jahr 2025.
Es geht dabei nicht um gute Medizin, nicht um Patientensicherheit, nicht um Versorgung – es geht einzig und allein um Formalitäten sowie um Wirtschaftlichkeit. So haben es die Gerichte selbst in der Begründung klargestellt. Und genau das ist der fatale Punkt: Ärztinnen und Ärzte, die nach bestem Wissen und Gewissen handeln, die medizinisch korrekt arbeiten, werden ruiniert, weil das System es so verlangt.
Menschlichkeit wird bestraft
Man könnte es fast ironisch sehen: Wir Ärztinnen und Ärzte sollen die Anwälte unserer Patientinnen und Patienten sein, wir sollen das Beste für sie wollen, sollen kämpfen, diagnostizieren, therapieren – und wenn wir es tun, wenn wir Menschlichkeit zeigen, dann bestraft uns das System dafür.
Eine halbe Million Euro für eine fehlende Unterschrift – wer möchte da noch Verantwortung übernehmen? Welche junge Kollegin oder welcher junge Kollege wagt noch den Schritt in die Niederlassung, wenn jederzeit ein Gericht urteilen kann, dass formale Kleinigkeiten wichtiger sind als das Wohl der Patientinnen und Patienten?
Entscheidung im Sinne der Bürokratie
Und was bedeutet das für alle Bürgerinnen und Bürger? Es bedeutet, dass sie sich darauf einstellen müssen, dass Ärztinnen und Ärzte künftig nicht mehr das Beste verschreiben, sondern das Billigste. Dass wir nicht mehr im Sinne der Heilung entscheiden, sondern im Sinne der Bürokratie. Dass wir Dienst nach Vorschrift machen, weil wir uns keine Fehler erlauben dürfen. Es bedeutet, dass am Ende die Menschlichkeit verloren geht.
Das Solidaritätsprinzip, das so gerne beschworen wird, endet dort, wo es um die Ärztinnen und Ärzte geht. Für die Politik ist es ein Schlagwort, für die Kassen ein Geschäftsmodell, für die Öffentlichkeit eine schöne Fassade – und für uns Ärztinnen und Ärzte eine reine Zumutung.
Ärztinnen und Ärzte kriegen die Quittung
Solidarität heißt im deutschen Gesundheitswesen offenbar: Patientinnen und Patienten bekommen eine Rundumversorgung, Krankenkassen können sich sanieren, Politikerinnen und Politiker können sich profilieren – und die Ärztinnen und Ärzte sind die, die am Ende die Quittung dafür kriegen.
Existenzen werden zerstört, Kolleginnen und Kollegen in den finanziellen Ruin getrieben, und die Richter, die diese Urteile fällen, verlieren jedes Augenmaß. Man mag fast meinen, es sei Absicht, Ärztinnen und Ärzte öffentlich als inkompetent hinzustellen, um das Bild zu festigen, wir seien nur geldgierig oder formschwach, während in Wahrheit die Kassen ihre Gewinne sichern und das System sich selbst feiert.
Fatales Signal an die Ärzteschaft
Wir von Young MEDI sagen klar: Diese Urteile sind ein fatales Signal an die niedergelassene Ärzteschaft und eine gefährliche Entwicklung für die Patientinnen und Patienten. Sie sind ein Weckruf, dass gute Medizin in Deutschland nicht mehr gewollt ist, sondern stattdessen billige Medizin und korrekte Formulare.
Wir bedauern diese Entwicklung zutiefst, wir sind verärgert und fassungslos. Wir raten jedem, der sich mit dem Gedanken trägt, sich niederzulassen: Überlegt es Euch! Denn in einem System, das Ärztinnen und Ärzte für ihre Menschlichkeit bestraft, bleibt am Ende nur Dienst nach Vorschrift.
Über Young MEDI
Young MEDI ist das Nachwuchsprogramm des MEDI Verbunds. Ziel des im Mai 2022 gegründeten Programms ist es, jungen und neu niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten sowie Psychotherapeutinnen und -therapeuten in Baden-Württemberg eine Stimme zu geben und Kolleginnen und Kollegen beim Schritt in die eigene Niederlassung zu betreuen.