„Es geht darum, juristische Fallstricke rechtzeitig zu identifizieren“

Als Leiter der Abteilung Recht sieht Dr. Oliver Stenz sich als Dienstleister, der bei MEDI die Organisation argumentativ unterstützt und die rechtlichen Grenzen der politischen Aktivitäten auslotet. Seit Jahresbeginn ist er auch persönlicher Referent des Vorstands der MEDIVERBUND AG.

Wann immer sich in der Ärzteschaft Unmut über die aktuelle gesundheitspolitische Lage regt und Verbände wie MEDI über Protestaktionen nachdenken, sind auch Juristen wie Dr. Oliver Stenz gefragt. „In solchen Situationen kommen immer wieder Fragen auf, ob man insbesondere Protestaktionen in dieser oder jener Form ausführen darf“, erzählt er. „Denn es gibt durchaus rechtliche Grenzen, die man beachten muss, um sich nicht gegenüber den wesentlichen Vertragspartnern angreifbar zu machen. MEDI soll in der Sache und in der Wortwahl durchaus hart auftreten, sich dabei aber auf rechtlich sicherem Terrain bewegen.“ Das Rüstzeug für seine Aufgaben hat Stenz sich durch ein Jurastudium in Berlin, jahrelange selbstständige Tätigkeit als Anwalt und als juristischer Berater bei verschiedenen Industrie- und Mittelstandsverbänden zugelegt, bevor er 2019 ins Referat Recht bei MEDI wechselte.

Umverteilung der verfügbaren Mittel verhindern

Hier beschäftigt er sich auch mit der rechtlichen Bewertung der aktuellen Gesetzgebungsvorhaben des Bundesgesundheitsministeriums. MEDI ist in Berlin über das Lobbyregister beim Bundestag gemeldet, entsprechend kann der Vorsitzende als Fachexperte geladen werden und Stellung nehmen, Anregungen geben sowie Probleme benennen. „Für uns im Referat Recht geht es dabei darum, mögliche juristische Fallstricke rechtzeitig zu identifizieren und dafür zu sorgen, dass MEDI-Chef Dr. Norbert Smetak argumentativ gut ausgestattet ist“, berichtet Stenz. Aktuell beschäftigt er sich, neben den eigentlichen Aufgaben in den Bereichen Vertrags- und Gesellschaftsrecht, intensiv mit den möglichen Auswirkungen des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG), das seiner Einschätzung nach in vielen Punkten auf eine Umverteilung der verfügbaren Mittel in die stationäre Versorgung hinausläuft. Für die Juristinnen und Juristen bei MEDI geht es darum auszutarieren, wie man auf die Politik einwirken kann, damit ambulant erbringbare Leistungen auch in der ambulanten Versorgung verbleiben und auf diese Weise die Krankenhäuser entlasten.

Neben der gesetzlich geplanten Entbudgetierung der Hausärzteschaft, die im nächsten Schritt auch für die Fachärzteschaft kommen muss, stehen auch die Diskussionen rund um die Zukunft Medizinischer Versorgungszentren (MVZ) auf Stenz Agenda: „Wir beobachten die aktuellen Überlegungen zu regionalen und fachlichen Einschränkungen bei MVZ sehr aufmerksam.“ Dass man investorengebundene MVZ-Gründungen reglementieren möchte, ist durchaus im Sinne von MEDI: „Wir wollen nicht, dass Kapitalinteressen vorrangiges Ziel der Gründung sind, und dass Krankenhaus-MVZ in Konkurrenz zu den niedergelassenen Praxen vor Ort treten“, betont er. Diese Gefahr sei aber groß, wenn Gewinninteressen im Vordergrund stehen. Die fachliche und regionale Beschränkung von MVZ hingegen würde die Freiheit zur MVZ-Gründung beschneiden: „Wenn man diesen Gedanken durchspielt, kann uns das nicht gefallen.“

Enttäuschung über TI-Urteil

Der Jurist ist dabei auch durchaus Gegenwind gewohnt. Besonders heftig bekam er ihn im März 2024 zu spüren, als das Bundessozialgericht ein richtungsweisendes Urteil fällte, wonach der Honorarabzug bei Nichtinstallation der Konnektoren für die Telematikinfrastruktur (TI) rechtmäßig ist. „Die Unterstützung dieser Klage war in erster Linie ein Projekt des ehemaligen Vorstands der MEDIVERBUND AG, Frank Hofmann, bei dem ich ihn immer unterstützt habe“, erinnert sich Stenz. „Ich halte unsere Positionen nach wie vor für schlüssig, während der Senat eine relativ merkwürdige Sicht der Dinge präsentiert hat. Aber das sind Erlebnisse, mit denen man sich als Jurist oder Anwalt abfinden muss, so etwas passiert nun einmal.“ Trotz dieser herben Enttäuschung macht Stenz seine tägliche Arbeit großen Spaß: „Man hat jeden Tag viele kleine Erfolge. Sei es, dass die entworfenen Verträge relativ unkompliziert durchlaufen, dass das Unternehmen funktioniert und Erfolg hat oder dass man Kollegen in den Fachabteilungen so unterstützt, dass sie von rechtlichen Fragestellungen befreit sind, ihre Arbeit machen können und sich in guten Händen wissen.“

Dabei ist Stenz auch der persönliche Kontakt und Austausch wichtig – insbesondere seit er im Januar 2024 auch persönlicher Referent des Vorstands wurde, damit auch in Personalfragen eingebunden ist und mehr Führungsaufgaben übernimmt als zuvor. In der Regel ist er in Stuttgart im Büro anzutreffen: „Wenn ich für einen Arbeitgeber tätig sein will, dann möchte ich das am Sitz des Arbeitgebers tun.“ Zu Hause gibt es für seinen Geschmack einfach zu viel Ablenkung, „ob es die Staubfluse im Wohnzimmer oder der Korb Schmutzwäsche im Schlafzimmer ist. Das ist einfach nicht so meins, da bin ich ein Dinosaurier.“ Zwar seien die technischen Hürden bei Videokonferenzen weniger geworden, aber eben immer noch nicht vollends überwunden. Und selbst wenn alles funktioniert, fragt Stenz sich manchmal: „Wenn der rote Punkt bei Teams aufleuchtet und anzeigt, dass der Kollege nicht verfügbar ist – ist der dann wirklich beschäftigt oder kann man ihn ansprechen?“ Im Büro sei das leichter zu erfassen, „da schaue ich einfach rein. Ich finde es angenehmer, die Leute persönlich zu sehen.“ Doch seine Vorliebe für die Arbeit vor Ort sei eine rein subjektive und persönliche Entscheidung: „Denn Qualitätseinbußen durch die Ausweitung von Home-Office kann ich nicht feststellen.“

Adrenalinkick als Ausgleich für trockene juristische Themen

Auf eine strikte Trennung zwischen Job und Privatleben legt er selbst keinen sonderlich großen Wert, „das liegt aber vor allem daran, dass ich privat ungebunden bin“. Mit einem klassischen Familienleben wären seine Arbeitszeiten auch nur schwerlich vereinbar: „Ich bin zwischen halb neun morgens und halb sieben am Abend im Büro und mehr oder minder rund um die Uhr im Dienst.“ Doch natürlich hat auch Stenz freie Tage und Urlaub. Dann stattet er gern seiner alten Heimat einen Besuch ab. Diese liegt aber nicht Franken, worauf man tippen könnte, wenn man ihn sprechen hört, sondern in Berlin: „Als Kind konnte ich das R nicht aussprechen und war deshalb beim Logopäden“, lacht er, „und der hat mir beigebracht, das R zu rollen.“ Nach Feierabend schafft Stenz mit Laufen und Radfahren Ausgleich zu seinen langen Bürotagen. Doch seine insgeheime Leidenschaft gilt dem Fallschirmspringen: „Ich war damals bei der Bundeswehr bei den Fallschirmjägern. Meine körperliche Fitness hat zwar nachgelassen, aber wenn ich wieder fit bin, möchte ich das wieder ausüben“, erzählt er, „das hat mir Spaß gemacht und ist ein toller Adrenalinkick im Gegensatz zu den doch manchmal etwas trockenen juristischen Themen, mit denen ich mich im Alltag beschäftige.“

 

Antje Thiel

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