MEDI unterstützt bundesweiten Ärzteprotest am 2. Oktober 2023

Der fachübergreifende Ärzteverband MEDI Baden-Württemberg e. V. unterstützt mit weiteren Berufsverbänden die große bundesweite Protestaktion vom Virchowbund. Unter dem Titel „Praxis in Not“ sollen am 2. Oktober 2023 Arztpraxen sowie psychotherapeutische Praxen geschlossen werden, um auf die „alarmierende Situation in der ambulanten Versorgung“ hinzuweisen, wie der stellvertretende MEDI-Vorsitzende und Hausarzt Dr. Michael Eckstein betont. Auch in Baden-Württemberg wird es laut MEDI an diesem Tag wiederholt zu Praxisschließungen kommen.

„Die aktuelle Lage in der ambulanten Versorgung ist jetzt schon alarmierend. Wenn die Politik nicht schnell dagegen steuert, haben wir in den kommenden Jahren ein massives Problem, die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land noch medizinisch zu versorgen“, mahnt MEDI-Vizechef Dr. Michael Eckstein, der die baden-württembergischen Proteste für den Ärzteverband managt.

Der 66-Jährige praktiziert seit 25 Jahren als Hausarzt in Reilingen im Rhein-Neckar-Kreis und wird voraussichtlich 2025 seine Praxis übergeben. Er sorge sich nicht nur um die Versorgung seiner Patientinnen und Patienten, sondern auch um seine eigene. „Ich komme selbst jetzt in ein Alter, in dem ich möglicherweise auch immer mehr auf die ambulante Versorgung angewiesen bin. Schon heute müssen Patientinnen und Patienten vier bis sechs Monate auf einen Facharzttermin warten oder bekommen keinen Hausarzt mehr vor Ort. Das macht mir große Angst“, so Eckstein.

Seine Kollegin Dr. Cathérine Hetzer-Baumann gehört zum geschäftsführenden Vorstand von MEDI und praktiziert als Hausärztin in Altenriet im Landkreis Esslingen. Sie gehört mit ihren 41 Jahren zur jüngeren Generation der niedergelassenen Ärzteschaft. „Für uns frisch Niedergelassene ist die aktuelle Situation unzumutbar. Wir ersticken in Bürokratie, haben eine Digitalisierung auferzwungen bekommen, die nicht funktioniert und hetzen von Behandlungszimmer zu Behandlungszimmer – wie am Fließband. Ich verstehe viele meiner jungen Kolleginnen und Kollegen, dass sie sich gegen eine Niederlassung entscheiden“, kritisiert Hetzer-Baumann.

Dr. Michael Ruland ist Hausarzt, Psychotherapeut und stellvertretender MEDI-Vorsitzender. Er praktiziert in Möglingen im Landkreis Ludwigsburg. „Psychische Erkrankungen nehmen massiv zu. Wir als Psychotherapeutinnen und -therapeuten können schon jetzt nicht mehr alle Patientinnen und Patienten versorgen. Es gibt sehr lange Wartelisten und Wartezeiten. Gerade Menschen mit erheblichen psychischen Problemen müssen aber zügig behandelt werden“, schildert Ruland die Lage. Eckstein, Hetzer-Baumann und Ruland werden sich am Protesttag am kommenden Montag beteiligen und ihre Praxen schließen.

Die Probleme im Gesundheitswesen seien laut MEDI sehr vielschichtig, aber mit den richtigen Rahmenbedingungen teilweise lösbar. „Wir brauchen eine schnelle Entbürokratisierung, damit unsere Praxen noch zu managen sind und eine Digitalisierung, die unsere Arbeit entlastet und nicht belastet. Außerdem müssen unsere vollbrachten Leistungen auch honoriert und nicht durch Budgets eingeschränkt werden. Ein zentraler Punkt ist aber vor allem eine sinnvolle Patientensteuerung, um das ganze Gesundheitswesen zu entlasten. Damit könnten auch erhebliche Kosten eingespart werden“, fordert der MEDI-Vorsitzende und praktizierende Kardiologe Dr. Norbert Smetak.

 

Tanja Reiners

 

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Bei viel Wind muss man Segel ausrichten und Kurs anpassen

Auch die hiesigen Vertragsärztinnen und -ärzte hätten die Macht, die Politik unter Druck zu setzen: „Denn wem beim Segeln zu viel Wind entgegenweht, der muss zwangsläufig die Segel neu ausrichten und den Kurs anpassen“, meint Ruland dazu. Sein Vergleich zum Segelsport kommt nicht von ungefähr: Seit 15 Jahren bezeichnet er sich als Marinero und verbringt viel Zeit auf dem Wasser. Daneben spielt er Tennis, dreht gelegentlich ein paar Joggingrunden und unternimmt zusammen mit seiner Frau gern ausgedehnte Reisen, von der jahrzehntelangen Liebe zur aktiven Popmusik ganz zu schweigen: Ruland hat in mehreren Bands Klavier und Gitarre gespielt und auch einen eigenen Chor gegründet. All diese Freizeitaktivitäten haben mehr Raum in seinem Leben, seit er vor zehn Jahren begann, die Arbeitszeit in seiner Praxis schrittweise zu reduzieren. Aktuell arbeitet Ruland noch halbtags: „Das macht meist Spaß, doch ich schätze auch die neugewonnene Freiheit sehr.“

Vor allem genießt er es, als Teilzeit-Ruheständler mehr Dinge als zuvor dem Zufall überlassen zu können, sich auch einmal ziellos treiben zu lassen. Als er ein junger Mann war, gab es bereits einmal eine ähnliche Phase, die er in seiner Vita als ‚Lehr- und Wanderjahre‘ aufführt. „Ich habe keine ganz geradlinige Biografie“, erzählt Ruland. Das heißt: ein Semester Informatik, gefolgt von einem Parkstudium in Chemie und diversen Praktika im Krankenhaus. „Es gab auch depressive Zeiten in dieser Findungsphase“, erinnert er sich, „doch ich habe in dieser Zeit meine spätere Frau kennen gelernt, mit der ich bis heute glücklich verheiratet bin. Das wäre ohne diese zwei Jahre nicht passiert.“ Dass seine Eltern seine zeitweilige Orientierungslosigkeit seinerzeit stoisch ertragen und ihn unbeirrt weiter unterstützt haben, nötigt ihnen größten Respekt ab. Doch Ruland ist sich sicher: „Wer nach einer lückenlosen Biografie erst in späteren Jahren in eine Sinnkrise stürzt, der trägt möglicherweise schwerer die Konsequenzen.“

Antje Thiel

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Schuldenbremse: MEDI warnt vor weiteren Kürzungen in der ambulanten Versorgung

Der fachübergreifende Ärzteverband MEDI Baden-Württemberg e. V. warnt hinsichtlich der aktuellen Diskussion um die Schuldenbremse und den Haushalt 2024 vor weiteren Kürzungen in der ambulanten Versorgung. „Eine qualitativ hochwertige und präventive ambulante Versorgung stärkt unser gesamtes ökonomisches System“, sagt der Vorsitzende von MEDI Baden-Württemberg e. V. und praktizierende Kardiologe Dr. Norbert Smetak.