„Muss ich Resturlaubsansprüche des Personals aus den letzten zehn Jahren gewähren?“

Ja, und unter Umständen auch darüber hinaus. Es sei denn, Sie haben Ihre Mitarbeitenden darauf hingewiesen, dass sie ihren Urlaub zu nehmen haben, da dieser sonst verfällt. Grundsätzlich müssen Arbeitnehmerinnen und -nehmer gemäß Bundesurlaubsgesetz (BurlG) ihren Urlaub im laufenden Kalenderjahr bis zum Jahresende nehmen, sonst droht er zu verfallen. Wenn dringende betriebliche oder persönliche Gründe der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers es rechtfertigen, kann der Urlaub auch noch bis 31. März des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden.

Allerdings haben Arbeitgeber Mitwirkungspflichten und unterliegen hinsichtlich des Urlaubs ihrer Arbeitnehmerinnen und -nehmer einer Hinweis- und Aufklärungspflicht. Nach neuer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) heißt das: Erst, wenn der Arbeitgeber seine Beschäftigten auf ihre Urlaubsansprüche hinweist und warnt, dass sie verfallen, wenn kein Urlaubsantrag gestellt wird, verfällt dieser tatsächlich. Damit wurde eine EuGH-Entscheidung in deutsches Recht umgesetzt.

Darauf müssen Chefs hinweisen

Dabei genügt weder eine allgemeine Regelung im Arbeitsvertrag noch ein allgemeiner Hinweis über noch offene Urlaubstage, beispielsweise in der Lohnabrechnung, als Merkblatt oder per E-Mail, die sich pauschal an alle Mitarbeitenden richtet. Nach Auffassung des BAG muss der Arbeitgeber individuell auf den konkreten Urlaubsanspruch eines bestimmten Jahres hinweisen. Das kann erfolgen, indem er jeder Arbeitnehmerin oder jedem Arbeitnehmer einzeln am Anfang eines Kalenderjahres schriftlich oder per E-Mail

■ mitteilt, wie viele Urlaubstage ihr oder ihm in dem betreffenden Kalenderjahr (noch) zustehen. Zu beachten ist, dass gegebenenfalls auch mitgeteilt werden muss, wie viele Urlaubstage aus dem Vorjahr übertragen worden sind und wann dieser Urlaub verfällt.

■ sie oder ihn auffordert, den Urlaub rechtzeitig zu beantragen, sodass er innerhalb des laufenden Urlaubsjahres genommen werden kann, und

■ sie oder ihn darüber informiert, dass der Urlaub verfällt, wenn er nicht rechtzeitig genommen wird.

Erfolgt ein individueller Hinweis nicht oder nicht in der richtigen Form, erlischt der Urlaubsanspruch nicht. Es setzt auch nicht die regelmäßige Verjährungsfrist ein, nach der ein Anspruch nach drei Jahren verjährt (§ 195 BGB). Stattdessen wird der Urlaubsanspruch in das Folgejahr fortgeschrieben. Soweit der Arbeitgeber die Information in der richtigen Art und Weise nachholt, verfällt der Urlaub allerdings zum Ende des Folgejahres.

Beendete Arbeitsverhältnisse

Anders ist es bei Urlaubsabgeltungsansprüchen aus beendeten Arbeitsverhältnissen: Hier greift die allgemeine Verjährungsfrist auch ohne Hinweis des Arbeitgebers. Das begründet das BAG damit, dass es bei monetären Abgeltungsansprüchen nicht um den Erholungszweck, sondern um einen „Geldanspruch“ gehe, also um den finanziellen Ausgleich für Urlaub. Mit einer Geltendmachung von Ansprüchen längst ausgeschiedener Mitarbeitenden ist nach Ablauf der Verjährung somit nicht mehr zu rechnen.

Angela Wank

Social Media

Folgen Sie uns auf unseren Plattformen.

Aktuelle MEDI-Times

MEDI-Newsletter

Mit dem kostenfreien MEDI-Newsletter informieren wir Sie regelmäßig über aktuelle Themen und die neuesten Angebote. Bleiben Sie mit uns auf dem Laufenden!

Die Datenschutzerklärung habe ich zur Kenntnis genommen und bin damit einverstanden.*

Auf Facebook kommentieren!

Facharztvertrag Orthopädie: “ Vertrag ist eine Win-win-Situation für alle Beteiligten“

In diesem Jahr feiert der MEDI-Facharztvertrag Orthopädie mit der AOK Baden-Württemberg und der Bosch BKK seinen zehnten Geburtstag. Der Orthopäde und stellvertretende Vorsitzende von MEDI Baden-Württemberg e. V., Dr. Bernhard Schuknecht, ist Teilnehmer der ersten Stunde. Er weiß vor allem zu schätzen, dass er sich im Rahmen des Vertrags mehr Zeit für seine Patientinnen und Patienten nehmen kann.

Teamkonflikte Teil 3: Was ist Cheffing?

In Teil 1 und Teil 2 unserer Interviewserie über Teamkonflikte mit Gesundheitsökonomin und Cognitive-Coach Katrin Holzinger vom Dr. Holzinger Institut ging es um den sogenannten Zickenkrieg und um Unterstützung bei Konflikten durch Coaching. Im letzten Interview dieser dreiteiligen Serie geht es um das Thema Cheffing. Dabei geht es um die Führung von unten, die sich durchaus auch positiv auf den Vorgesetzten auswirken kann, wie Holzinger im Gespräch erzählt.

Teamkonflikte Teil 2: Wann kann ein Coaching helfen?

In Teil 1 unserer Interviewserie über Teamkonflikte mit Gesundheitsökonomin und Cognitive-Coach Katrin Holzinger vom Dr. Holzinger Institut ging es um den sogenannten Zickenkrieg. In diesem zweiten Interview erzählt Katrin Holzinger, wann und für wen Coaching sinnvoll sein kann.