„Ich bleibe dem MEDI Verbund als Berater erhalten“

Für MEDI-Chef Dr. Werner Baumgärtner ist 2023 ein ganz besonderes Jahr: Im Sommer setzt er sich nach über 30 Jahren in der ärztlichen Standespolitik zur Ruhe. Im Interview spricht Baumgärtner über die Big Points 2023 und wie es mit dem MEDI Verbund weitergehen wird, wenn er die Leitung abgegeben hat.

MEDI: Herr Dr. Baumgärtner, warum hören Sie Mitte des Jahres auf?

Baumgärtner: Weil ich die 70 überschritten habe und andere Schwerpunkte in meinem Leben setzen möchte. Einfach auch die Verantwortung loswerden, obwohl ich fit bin und nach wie vor Freude an meiner Arbeit habe. Selbst dann, wenn es schwierig wird, wie zuletzt bei den KV-Wahlen In Baden-Württemberg.

MEDI: Wer wird Ihr Nachfolger?

Baumgärtner: Ich persönlich möchte, dass Dr. Norbert Smetak mein Nachfolger wird, das ist mit ihm so abgesprochen. Als mein Stellvertreter auf Landesebene übernimmt er schon seit einiger Zeit viele meiner Aufgaben und unterstützt mich bestens in meiner Arbeit. Gewählt wird aber im Juli 2023 und ich hoffe, dass unsere Delegierten ihn überzeugt wählen.

MEDI: Warum fiel die Wahl auf Herrn Dr. Smetak?

Baumgärtner: Wir haben zusammen den ersten Facharztvertrag erfolgreich verhandelt und umgesetzt, das ist inzwischen zwölf Jahre her. Kollege Smetak hat zudem auch Erfahrung und gute Beziehungen auf der Bundesebene durch seine Vorstandstätigkeiten beim BDI und beim SPiFA und natürlich als Bundesvorsitzender des Kardiologenverbands. Zudem hat er die Unterstützung aus unseren Gremien heraus, die ihn als Person und wegen seiner Arbeit sehr schätzen.

MEDI: Werden Sie MEDI komplett den Rücken kehren?

Baumgärtner: Ich werde die AG und den Verein als Berater unterstützen, insbesondere in wirtschaftlichen Dingen. Gerade die Einführung unserer Software, unserer Garrio-App oder unseres PVS für die Praxen wird in den nächsten Jahren noch meine Unterstützung brauchen. Ich werde aber nur noch Aufgaben übernehmen, zu denen ich Lust habe.

MEDI: Sie haben ja auch noch ein großes hausärztliches MVZ in Stuttgart-Zuffenhausen. Was passiert damit?

Baumgärtner: Das übergebe ich meiner Tochter und werde mit ihrem Einverständnis auch die dort mitarbeitenden angestellten Ärztinnen und Ärzte zu Teilhabern am MVZ machen – ganz im Sinne des MEDI-MVZ-Konzepts.

MEDI: Vor welchen Herausforderungen stehen Ihre Kolleginnen und Kollegen aus Ihrer Sicht in diesem Jahr?

Baumgärtner: Es ist erstens die fehlende Wertschätzung der Politik, die alles andere tut, als die frei beruflichen Kolleginnen und Kollegen zu stärken. Daraus resultieren fehlender Inflationsausgleich, fehlende Bezahlung der Mehrleistungen durch die Pandemie und die frustrane Digitalisierung. Die hausärztliche Versorgung soll durch Teams von Heil-Hilfsberufen oder von Physician Assistants ersetzt werden, Praxen konkurrieren mit Kiosken, Gemeindezentren oder Klinikambulanzen. Die fachärztliche Versorgung soll, nach den Vorstellungen der Politik, am liebsten komplett im Krankenhaus stattfinden.

MEDI: Was hat MEDI dem entgegenzusetzen?

Baumgärtner: Erst einmal eine wirtschaftlich starke Organisation, die Mitglieder individuell berät, bei Bedarf auch juristisch. Wir können im Markt andere Versorgungsmodelle unterstützen und sogar als Kontrahenten der Kapitalgesellschaften und großen Klinikträger auftreten. Wir haben unsere Mitglieder und letztlich auch die Patientinnen und Patienten hinter uns, die auch zukünftig von einem niedergelassenen Arzt oder einer Ärztin behandelt werden wollen.

Wir werden mit unseren Krankenkassen-Partnern, insbesondere der AOK Baden-Württemberg, unsere Hausarzt- und Facharztverträge weiterentwickeln. Außerdem setzen wir uns nach wie vor dafür ein, dass wir uns als Niedergelassene auch wehren können und unsere Praxen schließen. Aktuell sind wir Spielball der Politik und mancher Kassen.

MEDI: In der Delegiertenversammlung der KV Baden-Württemberg sitzen nach der letzten Wahl einige neue und damit noch unerfahrene Ärztinnen und Ärzte. Was raten Sie denen?

Baumgärtner: Dass sie in erster Linie mit uns zusammen die bisherige Politik unserer KV unter Norbert Metke weiterführen, insbesondere ein geordnetes Miteinander von Kollektiv- und Selektivverträgen. Dafür hat unser Kandidat Dr. Karsten Braun ein Wählermandat bekommen und unsere Koalition mit dem Hausärzteverband eine Mehrheit der Stimmen bekommen. In allen demokratisch gewählten Gremien ist es so, dass die Meinungsbildung von allen gemacht wird, aber die Entscheidungen von einer Mehrheit getroffen werden muss, die belastbar zusammenarbeitet. Ansonsten gibt es Chaos. Auf dieser Basis wäre es gut, wenn neue Delegierte mit uns zusammenarbeiteten.

MEDI: Auch im KV-Vorstand gab es ja einen Generationswechsel.

Baumgärtner: Richtig, seit einigen Wochen führen Karsten Braun und Dr. Doris Reinhardt, die Kandidatin des Hausärzteverbands Baden-Württemberg, unsere KV an. Der Kollege Braun ist ein erfolgreicher niedergelassener Orthopäde und Unfallchirurg. Er arbeitet im Team und hat ein Ärztehaus gebaut, das die Versorgung in seiner Region sichert. Er weiß, wie es an der Basis zugeht, und arbeitet seit Jahren gewissenhaft und ergebnisorientiert in den Gremien unserer Selbstverwaltung und bei MEDI mit.

MEDI: Ist damit die bewährte Allianz zwischen dem Hausärzteverband und MEDI in Baden- Württemberg weiter gesichert?

Baumgärtner: Ja, obwohl wir uns ein besseres Wahlergebnis gewünscht hätten.

MEDI: Wie geht es mit der HZV und den damit verbundenen Facharztverträgen im Südwesten weiter?

Baumgärtner: Im Südwesten funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den Verbänden und mit den Krankenkassen. Wir sollten aber versuchen, auch die restlichen Facharztgruppen in die Versorgungsverträge zu bekommen, insbesondere die HNO-Ärztinnen und -Ärzte. Bei der Gynäkologie sehe ich nach wie vor die Probleme mit deren Berufsverbandsvorsitzenden, die erst gelöst werden müssen. Ich bin aber optimistisch, dass wir 2023 weiter vorankommen.

MEDI: Auf welche anderen MEDI-Projekte werden Sie Ihren Fokus richten?

Baumgärtner: Auf unsere Projekte in Vietnam, denn dort wird gemeinsam mit unseren Entwicklern in Deutschland sowohl unser Garrio-Messenger als auch unser PVS entwickelt. Außerdem wollen wir MFA in Vietnam ausbilden, die in Deutschland arbeiten können und sollen. Dazu brauchen wir entsprechende Praxen und Einrichtungen; da ist noch vieles offen.

MEDI: Wie entwickelt sich „Young MEDI“?

Baumgärtner: Bestens und das ist auch dringend nötig! Alle Berufsverbände haben Nachwuchsprobleme, aber wir haben jetzt mit Young MEDI einen Anfang für neue und junge MEDI-Mitglieder gemacht und das Projekt funktioniert aus sich heraus. Leider war der Zuspruch bei den KV-Wahlen nicht so wie erwartet, wir müssen also besser werden.

MEDI: Seit einiger Zeit fliegen Sie wieder nach Berlin zu diversen Terminen und Veranstaltungen. Was hat sich dort seit der Coronapandemie geändert?

Baumgärtner: Es war wichtig und höchste Zeit, dass die Sitzungen mit persönlichen Kontakten wieder aufgenommen werden, aber meiner Meinung nach wird es nie wieder so werden wie vor der Pandemie. Online-Konferenzen werden bleiben, alles wird ein Stück schneller und unpersönlicher.

MEDI: Herr Dr. Baumgärtner, vielen Dank für das Gespräch.

Angelina Schütz

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