„Die veraltete Gebührenordnung ist unser größtes Problem“

Seit 1999 ist Dr. Klaus Baier Präsident der Bezirksärztekammer Nordwürttemberg. Auch bei der diesjährigen Kammerwahl ist er wieder mit dabei. Ein Gespräch über langjährige Erfahrungen, Erfolge und Probleme.

MEDI: Woher haben Sie den langen Atem für so viele Jahre Kammerarbeit?

Baier: Sie müssten besser fragen, warum man überhaupt so ein Amt übernimmt! Mit 46 Jahren bin ich in die Berufspolitik eingestiegen, damals in die Kassenärztliche Vereinigung Nordwürttemberg. Mein Anlass dafür war, dass ich die Nöte der Hausärzte vor Ort gesehen habe. Sie erinnern sich vielleicht an das Sparpaket von Bundesgesundheitsminister Seehofer. Ich wollte nicht jammern, sondern etwas tun. Später wurde ich auch in die Bezirksärztekammer gewählt. Was ich sagen will: Ich bin damals angetreten, um mich um die Nöte und Sorgen und Klagen der Kolleginnen und Kollegen zu kümmern. Ich bin als Präsident der Ärztekammer sozusagen ihr Draht in die Körperschaften. Viele kennen von der Ärztekammer ja nur die Beitragsrechnung und die Fortbildungspunkte.

MEDI: Ich vermute, Sie könnten sehr viel über Ihre alltägliche Kammerarbeit berichten.

Baier: Sicher! Als Bezirksärztekammer unterstützen wir die Kollegen so gut wir können. Ich habe immer versucht, die Sektorengrenzen nach hinten zu schieben. Als Präsident wollte und will ich für alle Ärztinnen und Ärzte mit allen ihren Anliegen eine neutrale Instanz verkörpern. Assistentinnen und Assistenten in Kliniken und Praxen müssen genauso berücksichtigt werden wie Chefärztinnen und Chefärzte oder Ärztinnen und Ärzte in Privatpraxen oder mit sonstigen Tätigkeiten, zum Beispiel im öffentlichen Dienst. Aber die Ärztinnen und Ärzte sind von den Körperschaften in ihrem Berufsalltag weit entfernt. Viele kennen unsere Aufgaben und unseren Auftrag nicht wirklich gut. Die vier Bezirksärztekammern sind die Orte, wo konkrete Entscheidungen für die Ärzte getroffen werden. Hier sind auch die Facharztprüfungen, die Fachkundenachweise oder die Vergabe der Weiterbildungsbefugnis angesiedelt.

MEDI: Ist Ihnen ein bestimmter Erfolg Ihrer Arbeit im Gedächtnis geblieben?

Baier: Erfolge sind immer das Ergebnis guter Vorstandsarbeit, das macht nicht einer alleine. Ein Erfolg war unser Widerstand gegen die Zwangsfusion der Bezirksärztekammern, die im Rahmen der Verwaltungsreform Anfang der 2000er-Jahre geplant war. Die Landesregierung wollte die Bezirksärztekammern abschaffen, so wie damals auch die vier baden-württembergischen KVen zur KV-Baden-Württemberg zusammengelegt wurden. Das war ein schwerer Kampf! Ich kann mich gut an ein langes Gespräch mit dem damaligen Ministerpräsidenten Erwin Teufel erinnern. Das war hart. Aber es ist uns gelungen, ihn zu überzeugen. Das war ein Erfolg!

MEDI: Und mit welchen Problemen haben Sie gekämpft?

Baier: Selbstkritisch muss ich sagen: Es ist mir nicht wirklich gelungen, die Kollegenschaft für die Kammer zu begeistern. Man sieht das leider an der Wahlbeteiligung, da hapert es. Andererseits darf ich auch sagen: Die Kolleginnen und Kollegen haben mich sechsmal in Folge zum Präsidenten gewählt. Von der Sache her ist die veraltete Gebührenordnung aus den 70er und 80er-Jahren unser größtes Problem. Die heute notwendige Abrechnung mit Steigerungssätzen und Analogziffern ist immer Sprengstoff – damit kann man nicht zufrieden sein. Die GOÄ hätte man längst neu aufstellen müssen!

MEDI: Was sind Ihre Ratschläge an die nachrückende Generation, die heute aktiv in die Berufspolitik strebt?

Baier: Sie müssen einen langen Atem mitbringen! Man darf sich durch Rückschläge nicht entmutigen lassen und muss mit einer hartleibigen Verwaltung rechnen. Man muss immer neue Löcher in dicke Bretter bohren, dabei Individualinteressen ausgewogen berücksichtigen und ein Gespür für den Umgang mit Menschen besitzen.

MEDI: Warum ist berufspolitisches Engagement wichtig?

Baier: Ich bin überzeugter Verfechter unseres Gesundheitssystems. Es ist durchaus anpassungsfähig und sollte vom Grundsatz her aber nicht verändert werden. Die Rolle der Ärzte wird heute vielfach extrem in Frage gestellt, aktuell etwa durch das Impfen in Apotheken. In anderen Ländern mag das so ganz praktikabel sein, aber bei uns ist der Zugang zur Primärversorgung leicht – und das ist ein großer Vorteil! Diese Errungenschaft ist momentan leider im Umbruch. Es wird zu viel in das Gesundheitssystem hineinregiert. Aufgabe der Politik wäre etwas anderes. Wenn junge Ärztinnen und Ärzte in Deutschland sich vor der Niederlassung scheuen, dann stimmen die Rahmenbedingungen nicht mehr!

Ruth Auschra

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