„Unser Ziel: die ambulante Versorgung bleibt in ärztlicher Hand“

In Baden-Württemberg ist Wahlsommer, die Wahl zur KV-Vertreterversammlung und die Wahl der KV-Bezirksbeiräte stehen an. Eine der Kandidatinnen auf den MEDI-Listen ist Dr. Bärbel Grashoff – Fachärztin für Gynäkologie aus Ulm. Sie macht deutlich, welche Probleme die KV in den nächsten Jahren lösen muss.

MEDI: Frau Dr. Grashoff, Hand aufs Herz: Warum sollte man Sie wählen?

Grashoff: Uns sollte man wählen, den MEDI Verbund! Und dafür gibt es genügend Gründe. Die Kassenärztliche Vereinigung ist nun mal die ärztliche und psychotherapeutische Selbstverwaltung. Wir verwalten uns – in der Vertreterversammlung, aber auch in Gremien wie Zulassungsausschuss, Widerspruchsausschuss etc. In der KV werden Entscheidungen getroffen, die Auswirkungen auf die ambulante Versorgung haben und damit auf jede einzelne Arztpraxis. Mit der aktuellen Wahl können Ärztinnen und Ärzte mitbestimmen, wer dort sitzt und an Entscheidungen mitwirkt.

MEDI: Können Sie mir dafür ein aktuelles Beispiel geben?

Grashoff: Gerne. MEDI ist in Baden-Württemberg der größte fachübergreifende Verband in der Vertreterversammlung. Wenn wir Lösungen suchen oder in Gremien arbeiten, denken wir für alle Fachrichtungen und versuchen Gesamtlösungen für alle Kolleginnen und Kollegen zu finden, sodass daraus möglichst eine Win-Win-Situation resultiert. Ein Hausarztverband vertritt – völlig legitim – eben nur die Interessen der Hausärztinnen und Hausärzte. Es zeichnet MEDI aus, dass wir „groß“ denken und alle Fachgruppen mitnehmen.

MEDI: Was sagen Sie denjenigen, die nicht wählen?

Grashoff: Auch die bekommen eine KV, die allerdings nicht unbedingt ihre Interessen vertritt. Bei schlechter Wahlbeteiligung müssen wir auch mit dem Ergebnis zurechtkommen. Dann kann es sein, dass man als Facharzt im Widerspruchsausschuss einem Hausarzt oder einem Klinikarzt gegenübersteht. Das kann keiner wollen! Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, beteiligen Sie sich und wählen Sie!

MEDI: Mit welchen Problemen hat die KV in den nächsten Jahren zu kämpfen?

Grashoff: Die Sicherstellung des Versorgungsauftrags wird mit Gewissheit ein Riesenproblem. Vor allem unter den hausärztlichen Kolleginnen und Kollegen sind viele über 65 und scheiden in den nächsten Jahren ohne Nachfolger aus. Für mich ist allerdings auch nachvollziehbar, dass die jüngere Generation kein 80-Stunden-Hamsterrad in der Einzelpraxis sucht. Wir brauchen also eigentlich mehr Ärztinnen und Ärzte für die gleiche Arbeit. Aber im Augenblick sehe ich eine weitere wirklich bedrohliche Entwicklung: Investoren kaufen Praxissitze auf. Die KV hat diese Entwicklung anhand der Zulassungsanträge bemerkt. Sie müssen sich mal vorstellen, was so eine Entwicklung für die ambulante Versorgung bedeutet. Was lukrativ sein könnte, fischen sich Investoren heraus. Radiologie, Zahnheilkunde, operative Augenheilkunde sind Beispiele für Praxen, die für Investoren interessant sind. Teilweise haben über 40 Kassenarztsitze einen einzigen „Besitzer“. In Ulm gehören fast sämtliche Kinderwunschpraxen dem Inselklinikum Borkum – und damit einem geschickten Investor aus Tschechien. Dort geht es nicht um Versorgung, sondern um Gewinn. Da verschieben sich wirklich große Summen. Glauben Sie bitte nicht, dass diese Praxen jemals wieder an einzelne Ärztinnen oder Ärzte verkauft werden! Diese internationalen Private-Equity-Gesellschaften sind echte Heuschrecken.

MEDI: Das klingt nicht gut …

Grashoff: Ganz und gar nicht. Rund um die ambulante Versorgung gibt es noch eine weitere ungute Entwicklung: Es gibt immer mehr Kliniken, die Arztsitze kaufen und einen Teil ihrer Versorgung als ambulante Leistung „auslagern“. Gleichzeitig steht für den ambulanten Sektor weniger Geld zur Verfügung. Wie stellen wir dann die Versorgung sicher? Das wird in den nächsten Jahren eine große Herausforderung für die KV sein!

MEDI: Was kann man dieser Entwicklung entgegensetzen?

Grashoff: Über das Regelwerk der Selektivverträge unterstützt der MEDI Verbund unterstützt Einzel- und Gemeinschaftspraxen schon sehr gut. Außerdem haben wir ein Konzept für MVZs in ärztlicher Hand entwickelt. Hier können erfahrene Kollegen in Teilzeitmodellen weiterarbeiten und junge Ärztinnen und Ärzte zunächst als Angestellte arbeiten, wenn sie noch keine Praxis gründen oder übernehmen wollen. Und die ambulante Versorgung bleibt in ärztlicher Hand. Das ist unser Ziel!

Ruth Auschra

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