Sabine Wowro könnte stundenlang über Probleme rund um Arbeitszeugnisse referieren. Die Juristin ist Bereichsleiterin Rechtsberatung und -vertretung im Verband medizinischer Fachberufe (VMF), kennt also die typischen Fragen und Probleme von MFA rund um Arbeitszeugnisse.
In der Gewerbeordnung (§ 109) ist zwar festgelegt, dass Mitarbeiter am letzten Arbeitstag ein Recht auf ihr Zeugnis haben. Da aber niemand gerne Arbeitszeugnisse formuliert, ist ein gewisser Hang zur Unpünktlichkeit der Arbeitgeberseite unübersehbar. Was tun? „Man könnte den Arbeitgeber erst einmal daran erinnern, dass er seiner Pflicht nachkommen muss und ihm eine Frist von rund zwei Wochen setzen“, rät Wowro. Ist das Zeugnis dann immer noch nicht da, kann man sich an das Arbeitsgericht wenden – oder an den VMF, wo Mitglieder kostenlose Rechtsberatung erhalten. Übrigens auch neue Mitglieder! „Zeugniserteilungs- und Zeugnisberichtigungsverfahren sind häufige Anliegen, mit denen wir beim Arbeitsgericht zu tun haben“, berichtet die Juristin.
Die Form macht’s
Streitfälle können Form und Inhalt eines Zeugnisses betreffen. Zur ordentlichen Form gehört es, dass ein Zeugnis auf Briefpapier mit dem Briefkopf der Praxis ausgedruckt und handschriftlich unterschrieben ist. Das Ausstellungsdatum sollte dem Beendigungsdatum entsprechen, auch auf Rechtschreibfehler oder fehlende Punkte am Satzende ist zu achten. Es könnte sich dabei um Versehen handeln – oder aber auch um eine versteckte Botschaft. „Diese formalen Anforderungen sind einklagbar“, weiß Wowro.
Die inhaltliche Berichtigung von Zeugnissen kann schwieriger sein. Arbeitnehmer haben grundsätzlich Anspruch auf ein qualifiziertes, wohlwollendes Zeugnis mit einer Leistungs- und Führungsbeurteilung. Andererseits entspricht es nicht der Wirklichkeit, wenn im Zeugnis einer engagierten Erstkraft steht, sie habe die ihr übertragenen Aufgaben „zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt“. Dieser Code entspricht der Schulnote 3, ist also weit entfernt von einer hervorragenden Beurteilung. Ähnlich ist es bei der Führungsbeurteilung: Wenn das Verhalten gegenüber Team, Praxisführung und Patienten nur als „korrekt“ bezeichnet wird, ist das kein Kompliment, sondern leider nur Durchschnitt.
Wer sich ungerecht beurteilt fühlt, muss das vor dem Arbeitsgericht beweisen. „Nicht leicht“, so Wowro. Wie kann eine MFA beweisen, dass ihr Chef zufrieden mit ihrer Arbeit war? Vor Gericht kann eine Arbeitsplatzbeschreibung den Umfang der übertragenen Tätigkeiten belegen. Und selbst Dankesworte auf Weihnachts- oder Geburtstagskarten von Vorgesetzten können als Indizien eine Rolle spielen.
Das gehört nicht ins Zeugnis
Es gibt selbstverständlich auch Aussagen, die nicht ins Zeugnis gehören. „Zum Beispiel sind Schwangerschaften, Elternzeit, Schwerbehinderungen, die Zahl der Fehltage oder offensichtlich negative Dinge nicht erlaubt“, zählt Wowro auf. Verboten sind auch verdeckte Hinweise auf häufige Krankheiten wie “wir wünschen alles Gute und Gesundheit”. Gut zu wissen: Der VMF bietet sogar Unterstützung, wenn MFA ihr Zeugnis selbst formulieren dürfen oder müssen.
Ruth Auschra