Wie man mit Aggressionen am Empfang umgeht

Aggressive, unverschämt laute und bedrohlich wirkende Menschen am Empfangstresen der Praxis – das ist leider für viele MFAs längst zur Realität geworden. Zwei MFAs berichten, warum sich für sie die Teilnahme an unserem Deeskalationsseminar gelohnt hat.

Einerseits geht es ruhig zu im ländlichen Kirchheim, auch in der kardiologischen Gemeinschaftspraxis von Dr. Norbert Smetak. Fast alle Patientinnen und Patienten haben einen Hausarzt, alle kommen mit Überweisungen. Aber am Telefon sind die Praxismitarbeiterinnen trotzdem mit Menschen konfrontiert, die je nach Temperament verängstigt oder auch richtig wütend reagieren, wenn ihnen ein Termin mit längerer Wartezeit angeboten wird. „Wir haben ständig mit Patienten zu tun, die uns beschimpfen“, erzählt Iris Bernkopf, „aber bisher wurden wir noch nie körperlich angegriffen“. Ein Patient wurde mal am Empfang laut. Einer der Ärzte bekam es mit, verließ sein Behandlungszimmer und verwies den Patienten der Praxis. Ein Deeskalationstraining könne trotzdem nicht schaden, fand der Chef.

Ein paar Wochen später passierte es dann in einer nahe gelegenen Praxis: Eine jüngere Patientin kam zur Röntgenuntersuchung – allerdings ohne Überweisung. Ihr wurde mehrfach erklärt, dass Radiologen nur auf Überweisung arbeiten. Die junge Frau hatte dafür kein Verständnis. Sie rastete aus, fegte auf dem Tresen liegende Utensilien durch die Gegend und wurde handgreiflich. Mehrere Personen waren nötig, um sie aus der Praxis zu drängen. Da sie vor der Glastür weiter randalierte, musste die Polizei gerufen werden.

Arbeiten im Brennpunkt

Deutlich härter ist die Situation für Rebecca Rapp, die in der Pforzheimer Praxis von Katrin Annette Stockert-Schäfer angestellt ist. „Wir sind hier ein sozialer Brennpunkt“, beschreibt sie nüchtern. Sie hat sich mittlerweile daran gewöhnt, dass Patienten laut und ungehalten reagieren. Zum Beispiel, wenn ihre Wünsche nicht umgehend erfüllt werden können oder wenn eine Ultraschalluntersuchung Geld kostet.

Einmal eskalierte die Situation: Eine neue Patientin hatte weder Versicherungskarte noch Geld dabei und konnte sich auch nicht ausweisen. Die Mitarbeiterinnen am Empfang schlugen vor, einen Termin auszumachen. „Wir haben erklärt, dass wir ohne Identifizierung kein Rezept ausstellen können“, erinnert sich Rapp. Aber die Frau und ihr Begleiter bestanden auf einem sofortigen Termin.

Als der Mann verbal ausfällig wurde, verwiesen sie ihn der Praxis und schlossen hinter ihnen die Tür ab. Es folgte Lärm aus dem Treppenhaus, es wurde an der Tür gerüttelt und dagegen gehämmert. Was für eine Situation für die wartenden Patienten! „Einige boten spontan Unterstützung an und wollten auch die Polizei rufen“, berichtet die MFA, „niemand hatte Lust, die Praxis zu verlassen“. Irgendwann war der Spuk vorüber. Später stellten die Praxismitarbeiterinnen fest, dass das Praxisschild aus der Verankerung gerissen worden war.

Nach diesem Erlebnis war es nur konsequent, dass sich die Chefin mit ihrem Team zum MEDI-Deeskalationstraining anmeldete. Es zeigte auch Wirkung. Heute würde Rapp ein unhöfliches Paar ohne Ausweispapiere schneller zur Tür bitten und sich im Zweifel sofort Unterstützung holen. Im Rahmen des Trainings haben die Polizisten deutlich darauf hingewiesen, dass man in so einer Situation sofort die Polizei rufen darf.

Wie fanden die MFAs das Seminar?

Die theoretischen Ausführungen waren kurzweilig und informativ. Und auch den praktischen Teil fand Iris Bernkopf „super gut“: „Mir gefiel der Hinweis, dass man ruhig bleiben soll“, sagt sie. Das gilt beim Telefonieren genauso wie beim direkten Kontakt. Sie nutzt oft die Worte: „Wir reden normal mit Ihnen, das können Sie auch tun“ – und holt genervte Anrufer so oft auf den Boden der Höflichkeit zurück.

Auch Rebecca Rapp ist mit dem Seminar „voll und ganz zufrieden“ und findet es „toll“. Ihr gefällt, „dass wir ernstgenommen wurden, auch die praktischen Übungen waren hilfreich.“ Ob sie in Zukunft fit genug wäre, um einen Angreifer durch Gegenwehr zu stoppen? „Ich habe ein selbstbewussteres Auftreten gelernt“, sagt die zierliche MFA und findet: „Man sollte diese Kurse nicht nur einmal machen, sondern sie regelmäßig auffrischen.“

Ruth Auschra

Social Media

Folgen Sie uns auf unseren Plattformen.

Aktuelle MEDI-Times

MEDI-Newsletter

Mit dem kostenfreien MEDI-Newsletter informieren wir Sie regelmäßig über aktuelle Themen und die neuesten Angebote. Bleiben Sie mit uns auf dem Laufenden!

Die Datenschutzerklärung habe ich zur Kenntnis genommen und bin damit einverstanden.*

Auf Facebook kommentieren!

„Ohne Selektivverträge könnten wir als Praxis nicht überleben“

Die Allgemeinmedizinerin Dr. Christine Blum vertritt als Beisitzerin im Vorstand von MEDI Baden-Württemberg e. V. die Interessen der angestellten Ärztinnen und Ärzte. Sie hat sich von der Orthopädie und Unfallchirurgie verabschiedet, um die Hausarztpraxis ihres Vaters zu übernehmen – und kann sich nun keine andere Art zu arbeiten mehr vorstellen.

Psychotherapie: „Der Versorgungsbedarf wird immer größer“

Claudia Bach ist psychologische Psychotherapeutin und hat zwei Praxen in Schriesheim und Weinheim im Rhein-Neckar-Kreis mit einem großen Team von zehn angestellten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie drei Assistentinnen und einer Sekretärin für das Praxis- und Qualitätsmanagement. Seit drei Jahren engagiert sich die 37-Jährige bei Young MEDI, denn Herausforderungen für die psychotherapeutische Versorgung gibt es genug. Im MEDI-Interview erzählt Bach von der großen Unsicherheit mit der Finanzierung der Weiterbildung zur Fachpsychotherapeutin und zum Fachpsychotherapeuten, vom wachsenden Versorgungsumfang und von der zunehmenden Bürokratie.

Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz: MEDI droht mit Korbmodell

Die fachübergreifenden Ärzteverbände MEDI GENO Deutschland e. V. und MEDI Baden-Württemberg e. V. kritisieren den Referentenentwurf zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz des Bundesministeriums für Gesundheit, der am vergangenen Samstag bekannt wurde, scharf. Der Verband spricht von einem “Generalangriff auf den Sicherstellungsauftrag“ und kündigt an, das sogenannte Korbmodell in Erwägung zu ziehen.