Kardiologievertrag in Baden-Württemberg ermöglicht erstmals die ambulante Implantation von Defibrillatoren

Ab dem 1. April können Kardiologen im Südwesten, die am Facharztvertrag von AOK Baden-Württemberg und Bosch BKK teilnehmen, auch die ambulante Implantation von Defibrillatoren vornehmen.

Die Leistung ist bundesweit sonst nur in spezialisierten Kliniken möglich. Patienten profitieren davon, dass der Eingriff und die Nachsorge bei einem qualifizierten Kardiologen ihres Vertrauens stattfindet – eine Option, die von der großen Mehrheit der Betroffenen präferiert wird. Die Vertragspartner, zu denen auf Arztseite MEDI Baden-Württemberg, der BNK e. V. und der BNFI e. V. zählen, führen damit eine weitere moderne Therapiemöglichkeit ein, die in der Regelversorgung nicht erstattet wird.

Der plötzliche Herztod gehört mit jährlich schätzungsweise 66.000 Fällen zu den häufigsten Todesur-sachen in Deutschland.(1) In über 80 Prozent der Fälle sind schnelle Rhythmusstörungen der Herz-kammer oder Kammerflimmern die Ursache. Der implantierbare Cardioverter-Defibrillator (ICD) ist die einzige Therapieoption, mit der diese lebensbedrohlichen Störungen erkannt und durch eine Elektrostimulation- oder Schockabgabe beendet werden kann. Jährlich werden rund 30.000 dieser Geräte in Deutschland implantiert oder ausgetauscht.(2) Eine Vielzahl klinischer Studien hat die Bedeutung von Defibrillatoren in der Vorbeugung des plötzlichen Herztods untersucht und neben dem unbestrittenen Wert der Therapie auch einen signifikanten Überlebensvorteil bei Patienten mit Herzinsuffizienz belegt.

In Baden-Württemberg kann diese Leistung nun auch für Versicherte erbracht werden, die am ge-meinsamen FacharztProgramm von AOK Baden-Württemberg und Bosch BKK teilnehmen. Ab dem 01.04.2017 wird die Neuimplantation (Erstimplantation) sowie der Aggregatwechsel von Defibrillatoren als ambulante Leistung im Kardiologie-Vertrag vergütet. Die Neuimplantation wird für 1- oder 2-Kammer-Systeme, der Aggregatwechsel für 1-, 2- oder 3-Kammer-Systeme erstattet.

Die vertraglichen Voraussetzungen für die Durchführung entsprechen den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. Dazu zählt insbesondere der Nachweis, dass in den letzten Jahren kontinierlich implantiert wurde. Derzeit erfüllen etwa 15 der rund 200 am Facharztvertrag teilnehmenden Kardiologen die erforderlichen Qualifikationskriterien.

Vorteile der Neuerung für die Patienten: Sie müssen nicht in die Klinik, sondern bleiben weiterhin bei „ihrem“ Arzt, dem alle Befunde vorliegen. Eine geregelte Nachsorge ist so gewährleistet. Und der Eingriff in der Klinik inklusive der notwendigen Voruntersuchungen dauert im allgemeinen länger. „Etwa 95 Prozent der Patienten bevorzugen einen ambulanten Eingriff in vertrauter Umgebung beim Arzt ihres Vertrauens“, so PD Dr. Ralph Bosch, MEDI-Sprecher und 1. Regionalvorsitzender des BNK Baden-Württemberg. Für die ambulante ICD-Implantation wurden Pauschalen vereinbart, die im Vergleich zur Klinik knapp unterhalb der Ein-Tages-DRGs liegen. Der Kardiologe aus Ludwigsburg weist auf einen weiteren Vorteil hin: „Bei den verfügbaren Aggregaten gibt es erfahrungsgemäß deutliche Qualitätsunterschiede. Die ausgehandelte Vergütungspauschale erlaubt es, technisch höherwertige Geräte zu verwenden”.

„Mit unseren Innovationen im Kardiologievertrag sind wir Vorreiter, wenn es darum geht, bei hoher Versorgungsqualität unnötige Ausgaben für stationäre Behandlungen einzusparen“, betont auch Dr. Winfried Haerer, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie und Geschäftsführer der Herzklinik Ulm. 2012 wurde bundesweit erstmalig die ambulante Implantation eines Ereignisrekorders vertraglich vereinbart, mit deren Hilfe der Anteil der Patienten, bei denen nach einem unklaren Schlaganfall innerhalb von drei Jahren Vorhofflimmern diagnostiziert werden kann, verzehnfacht wird. Seit 1. Oktober 2016 können auch Ereignisrekorder der neuesten Generation verwendet werden, die für den Patienten noch komfortabler sind. Im Vergleich zu herkömmlichen Geräten seien diese wesentlich kleiner und leichter implantierbar, so Haerer weiter.

Seit 2013 werden die Materialkosten für die Druckdrahtmessung bei einer diagnostischen Herzkatheteruntersuchung übernommen. Das ermöglicht herauszufinden, ob die durch eine angiographisch nachgewiesene Stenose hervorgerufene Minderdurchblutung des Herzmuskels tatsächlich so gravierend ist, dass ein Stent eingesetzt werden muss.

Quellen:
1) Europace (2014) 16, 1752–1758 doi:10.1093/europace/euu153
2) Jahresbericht 2014 des Deutschen Herzschrittmacher- und Defibrillatorregisters